Die Themenzentrierte Interaktion (TZI)

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Die Themenzentrierte Interaktion – Gruppenarbeit und ihre Herausforderungen

TZI - Die vier Faktoren als schematische Darstellung

Die bisherigen Modelle bezogen sich zum größten Teil auf die direkte Kommunikation (ich und der Andere). Wie wir bei der Transaktions-Analyse (TA) gemerkt haben, wird es schwierig, diese Modelle auf größere Gruppen anzuwenden. Da kommt die „Themenzentrierte Interaktion“ ins Spiel. Die Psychoanalytikerin Ruth C. Cohn entwickelte dieses Modell für die Arbeit in Gruppen.

Im groben handelt es sich hierbei um die Beachtung von vier Faktoren. Das Es, das Wir, das Ich und das Umfeld, der Rahmen, hier „Globe“ genannt. Dieses aus ihrer Arbeit entstandene Modell ist ein Gerüst und kein Korsett. Das gilt, wie ich mehrmals betont habe, gleichsam für alle Kommunikations-Modelle.

Das Ich: Hiermit ist die Persönlichkeit eines Gruppenmitglieds, seine Fähigkeiten und das Verhalten gemeint. Ich entscheide, was ich in die Gruppe gebe und was nicht. Ich bin verantwortlich für meine Beiträge, für meine Aktionen und Reaktionen.

Das Wir bezieht sich auf die Interaktion, Kommunikation sowie die Kultur und die Dynamik der Gruppe. Andere vorurteilsfrei wahrzunehmen, auch wenn eine Meinung von meinen eigenen Gefühlen und Empfindungen differiert, dabei aber sich selbst nicht zu beschränken. Der Gruppenprozess unterliegt der Verantwortung aller Personen in der Gruppe. Hinweis: Auch ein Diskussionsleiter, Lehrer etc. ist Teil des Wir, alle sind Teil der Gruppe ohne Ausnahme.

Das Es wird bezeichnet als das Thema, die Sache, das Ziel der Gruppe. Anmerkung: Schon die Namensgebung eines Themas kann die Gruppe unterschiedlich ‚berühren‘, gegensätzliche Empfindungen auslösen.

Mit dem Umfeld (Globe) ist der soziale Hintergrund, der zeitliche Faktor, der Raum gemeint. Wenn es z.B. zu heiß ist, ist ein ordentliches Gespräch oder Diskussion ohne Störungen kaum mehr möglich.

Der Kern ist das Berücksichtigen des persönlichen Anteils, der Gefühle und Empfindungen und der Dynamik innerhalb der Gruppe. Gleichwohl darf der Rahmen nicht außer Acht gelassen werden.

Des Weiteren ist Ausgewogenheit von Sach- und Beziehungsebene ein wesentliches Merkmal. Gefühle und Emotionen haben ebenso ihren Platz wie Logik und Verstand. Wenn eine der beiden Ebenen ‚Übergewicht‘ bekommt, entstehen kontraproduktive Kräfte, die den Einzelnen sowie die Gruppe in ihrem Entwicklungsprozess behindern.

Typische Störungen sind z.B. der Sach- bzw. Beziehungstorso. Beim Ersteren bekommt das Thema zu viel Gewicht und wichtige Beziehungsfaktoren wie Emotionen, oder zwischenmenschliche Störungen werden unterdrückt. Beim Beziehungstorso ist es genau umgekehrt, wenn sich z.B. eine ‚Kaffeeklatsch-Mentalität‘ breitmacht und das Thema zur Nebensache wird.

Ziel der „TZI“ ist es, eine Balance der vier Faktoren zu halten.

Gehen wir jetzt etwas tiefer in das Modell. Ruth Cohn hat drei Axiome (ich nenne sie an dieser Stelle mal Hauptmerkmale) benannt:

Autonomie und wechselseitige Abhängigkeit (Interdependenz). Menschen haben physische, emotionale, intellektuelle und spirituelle Bedürfnisse, Erfahrungen und Antriebe. Der Mensch ist ein Teil des Universums. Wir sind umso mehr autonom, je mehr wir uns der Allverbundenheit bewusst ist. Wenn wir uns innerhalb der Gruppe der Fähigkeiten, Probleme, Konflikte und Abhängigkeiten der Teilnehmer bewusst sind, haben wir mehr Möglichkeiten, Werte und Ziele realistisch zu vertreten.

Respekt und Ehrfurcht vor allem Lebendigen und seiner Entwicklung (Wachstum). Das Humane ist wertvoll, Inhumanes ist wertbedrohend. Bewusstsein unserer universellen Interdependenz ist die Grundlage menschlicher Verantwortung. Der Respekt vor allen Äußerungen des Lebens ist die Grundlage für alles Wachstum und so auch für das Miteinander. Jeder und alles verdient Wertschätzung!

Entscheidungsfreiheit innerhalb bestimmter Grenzen. Freie Entscheidung geschieht innerhalb innerer und äußerer Grenzen. Eine Erweiterung dieser Grenzen ist im gewissen Rahmen möglich. Freiheit im Entscheiden ist größer, wenn wir gesund, intelligent, materiell gesichert und geistig gereift sind, als wenn wir krank, beschränkt oder arm sind oder unter Gewalt und mangelnder Reife leiden.

Ruth Cohn hat auch sogenannte Postulate (Grundsätze die man akzeptieren kann, oder nicht) aufgestellt. Wir können diese auch Handlungsanweisungen nennen.

Sei dein eigener Chairman. Sei dir selbst und deines Umfelds zu jeder Zeit bewusst. Nehme und gib, wie du es verantwortlich für dich selbst und andere willst. Akzeptiere deine eigenen Wahrnehmungen, Gefühle, Phantasien, Urteile und Werte. Das ‚ich soll‘ gegen das ‚ich möchte‘ abwägen.

Störungen haben Vorrang. Störungen nehmen sich den Vorrang, sie fragen nicht danach (z.B. Seitengespräche). Alle Bedürfnisse, Gefühle und Impulse, die nicht ‚abgeschlossen‘ sind, bestehen unterschwellig und blockieren uns im Hier und Jetzt. Sie führen zu einer ‚Abwesenheit‘ und behindern den Erfolg der Kommunikation in der Gruppe. Bleiben Störungen unausgesprochen und unterdrückt, bestimmen sie die Vorgänge in der Gruppe.

Als Nächstes kommen zusätzliche Hilfsregeln, diese gilt es, taktvoll und nicht diktatorisch anzuwenden. Jede Regel kann ad absurdum geführt werden. Wie immer gilt, nur das für sich Richtige, Nachvollziehbare in Anspruch nehmen, sei authentisch! Diese Hilfsregeln sind Kommunikations- und Interventionshilfen, die den Umgang mit den oben genannten Axiomen und Postulaten unterstützen sollen.

Hilfsregeln

„Sei zurückhaltend mit Verallgemeinerungen. Rede mit ‚ich‘ und vermeide ‚man sollte‘ oder ‚wir müssen‘ Aussagen.“

„Vermeide Interpretationen, es sei denn, man bittet dich darum (Feedback). Formuliere stattdessen deine eigenen Reaktionen auf gesagtes.“

„Sei authentisch, du musst nicht alles sagen, was du denkst und sei ehrlich bei dem, was du sagst.“

„Wenn du eine Frage stellst, sage, warum du fragst und was deine Frage für dich bedeutet. Sprich für dich selbst.“

„Beachte deine eigene Körpersprache und auch die der anderen. Sie sagt viel über bewusste und unbewusste Gefühle aus. Nonverbale Kommunikation ist oft eindrucksvoller als das gesprochene Wort.“ (Eisberg-Modell)

„Lass andere Personen ausreden und achte mit darauf, dass immer nur eine Person spricht“

Ein sehr umfangreiches Modell, aber wie alle Modelle zuvor, ein sehr nützliches Werkzeug für ein gelingendes Miteinander.

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